Egli-Gottesdienst "Luther und die Reformation"

Martin Luther besucht während seiner Zeit als Student seine Eltern in Mansfeld. Auf dem Rückweg nach Erfurt gerät er in ein heftiges Gewitter, ein Blitzschlag verfehlt ihn nur knapp. In seiner Angst ruft er die Heilige Anna an und verspricht, ein Mönch zu werden, wenn er errettet wird. In Erfurt hält er sein Versprechen und tritt in das dortige Kloster der Augustiner ein.

Während seiner Zeit im Kloster quält er sich immer wieder mit der Frage: Wie kann ich einen gnädigen Gott finden? Er hat Angst um seine eigene Seele, sieht sich trotz seines sehr strengen Mönchslebens als sündigen Menschen, der vor Gott keine Gnade finden wird. Damit ist er ein Kind seiner Zeit. Die Menschen um ihn herum quälen sich vielfach mit den gleichen Fragen, sie haben Angst, daß die Endzeit nun bald anbricht und daß niemand vor der Hölle sicher sei. Die Zukunft sieht kaum jemand rosig. Auch die herrschende Theologie kennt keine anderen Antworten. Martin Luther hat sich selbst der Lehrtheologie verschrieben, ist Priester und gar Professor der Bibelwissenschaft an der Universität Wittenberg geworden.

In eben dieser Bibel, die er ausführlich studiert, zu der er Vorlesungen hält und aus der er immer wieder vorliest, um darüber zu predigen, findet er schließlich die Stellen, die eine Antwort auf seine quälenden Fragen geben. Sie waren schon immer vorhanden, aber erst jetzt erschließt sich für ihn der wahre Gehalt der Aussagen, die im Brief des Paulus an die Gemeinde in Rom stehen, so im 3. Kapitel:

Nun aber ist ohne Zutun des Gesetzes die Gerechtigkeit, die vor Gott gilt, offenbart, bezeugt durch das Gesetz und die Propheten.

Ich rede aber von der Gerechtigkeit vor Gott, die da kommt durch den Glauben an Jesus Christus zu allen, die glauben. Denn es ist hier kein Unterschied:

sie sind allesamt Sünder und ermangeln des Ruhmes, den sie bei Gott haben sollten,

und werden ohne Verdienst gerecht aus seiner Gnade durch die Erlösung, die durch Christus Jesus geschehen ist.

Den hat Gott für den Glauben hingestellt als Sühne in seinem Blut zum Erweis seiner Gerechtigkeit, indem er die Sünden vergibt, die früher

Begangen wurden in der Zeit seiner Geduld, um nun in dieser Zeit seine Gerechtigkeit zu erweisen, daß er selbst gerecht ist und gerecht macht den, der da ist aus dem Glauben an Jesus.

Wo bleibt nun das Rühmen? Es ist ausgeschlossen. Durch welches Gesetz? Durch das Gesetz der Werke? Nein, sondern durch das Gesetz des Glaubens.

So halten wir nun dafür, daß der Mensch gerecht wird ohne des Gesetzes Werke, allein durch den Glauben.

(Römer 3,21-28)

Was für ein inhaltlicher Befreiungsschlag! Wir müssen uns vor Gott nicht beweisen. Wir müssen uns seine Gnade nicht erarbeiten. Wir müssen uns seine Liebe nicht erkaufen. Sie ist längst da, vorbehaltlos und bedingungslos. Der Glaube an Gott ist das entscheidende Kriterium. Wer sollte Gottes Liebe und Gnade auch erfahren, wenn er nicht an Gott glaubt? Für uns Menschen, die wir an Gott glauben, bedeutet diese Erkenntnis, daß wir ein Vertrauensverhältnis zu Gott haben können, das uns entlastet und befreit.

Für Martin Luther ergibt sich daraus die Konsequenz, daß Angst vor der Hölle, Angst vor einem Gott, der nicht vergibt, für Christen kein bedrohliches Szenario darstellen. Er geht davon aus, daß ein Christ, der seine Sünden aufrichtig bereut, einen völligen Erlaß von Strafe und Schuld durch Gott erlangt. Aus diesem Grund wendet er sich gegen den Handel mit Ablaßbriefen, durch die es möglich sein soll, den Erlaß der Strafe zu erkaufen.

Zu diesem Anlaß verfaßt er 95 Thesen gegen den Ablaßhandel. Man sagt, er habe diese Thesen am 31. Oktober 1517 an die Tür der Schloßkirche zu Wittenberg genagelt, was zum Auslöser der Reformation geworden sein soll. Sicher aber versendet Martin Luther diese 95 Thesen an viele Gelehrte in ganz Deutschland und unter anderem auch an Kardinal Albrecht, dem Auftraggeber des Ablaßhandels in Deutschland.

Die Kunde von seinem Wiederstand gegen den Ablaßhandel verbreitet sich schnell im Volk, bei den Landesherren bis hinauf zum Kaiser und bei den geistlichen Führern der Kirche bis hinauf zum Papst. Es kommt zu Verhören und Streitgesprächen, zu heftigen verbalen Auseinandersetzungen. Im Zuge dessen verhängt Papst Leo X. im Januar 1521 über Martin Luther den Kirchenbann. Aber Martin Luther läßt sich nicht in die Knie zwingen. Viele Menschen, auch Priester und Landesherren sind von seinen Gedanken und Schriften überzeugt. Er ist immer noch getrieben von den Glaubensüberzeugungen, die er der Bibel, vor allem dem Römerbrief entnimmt, so wie zum Beispiel in Kapitel 9, Vers 16: So liegt es nun nicht an jemandes Wollen oder Laufen, sondern an Gottes Erbarmen.

Mit anderen Worten: wir Menschen können nichts tun, solange Gott sich nicht unser erbarmt. Da wir aber davon ausgehen können, daß er das tut, müssen wir nicht so sehr auf das schauen, was wir tun, sondern vielmehr uns ganz und gar Gott zuwenden. Das entlastet unser Leben und ermutigt, befreiter zu leben.

Martin Luther aber bringt seine Standhaftigkeit im April 1521 vor den Reichstag in Worms. Kaiser Karl V. sichert ihm dafür freies Geleit zu. Doch er verlangt dort von ihm, seine Schriften und Lehren zu widerrufen. Martin Luther weigert sich und stellt als einzige Bedingung für seinen Widerruf den Nachweis seines Irrtums aus der Bibel. Die Situation ist festgefahren. Ein Ausweg aus der Auseinandersetzung ist nicht in Sicht. Im Mai 1521 läßt der Kaiser über Martin Luther die Reichsacht verhängen. Daher darf nun jeder Martin Luther ungestraft töten.

Doch die Gefahr ist zunächst gebannt. Schließlich hatte der Kaiser Luther für die An- und Abreise zum Reichstag freies Geleit zugesichert. Auf der Rückreise läßt Kurfürst Friedrich der Weise ihn zum Schein heimlich überfallen und auf die Wartburg bei Eisenach bringen. Nur wenige Eingeweihte wissen davon, offiziell taucht Martin Luther zunächst nirgendwo auf. Auf der Wartburg verändert er sein Aussehen und lebt dort unter dem Namen Junker Jörg.

Hier übersetzt er in aller Ruhe das Neue Testament aus der griechischen Originalsprache ins Deutsche. Damit legt er den Grundstein für die erste Übersetzung der gesamten Bibel aus den Originalsprachen ins Deutsche und schafft damit auch eine möglichst allen verständliche deutsche Sprache im von Dialekten übersäten deutschsprachigen Gebiet. Alle Menschen in Deutschland sollen die Möglichkeit haben, die frohe Botschaft selbst zu lesen und daraus die Freiheit für ihr Leben zu gewinnen, wie es als Botschaft Jesu im Johannes-Evangelium in Kapitel 8, Vers 31 und 32 steht:

Wenn ihr bleiben werdet in meinem Wort, so seid ihr wahrhaftig meine Jünger und werdet die Wahrheit erkennen, und die Wahrheit wird euch frei machen.

Solche Aussagen beflügeln Martin Luther in seinem Denken und Handeln und sie beflügeln Menschen, die sich in ihrem Glauben an das Wort Jesu halten. In diesem Wort steckt die Wahrheit, und die macht frei. Das ist die Freiheit des Glaubens, die Freiheit eines Christenmenschen.

Die reformatorischen Bestrebungen vieler Unterstützer Martin Luthers, das Selbstbewußtsein und der Mut, die dieser neuen Freiheit entspringen, gehen diesem etwas zu schnell. Er befürchtet ein nicht mehr zu ordnendes Chaos und will zurück in die Mitte des Geschehens in Wittenberg. So verläßt er im März 1522 die Wartburg und kehrt nach Wittenberg zurück. Dort wendet er sich gegen Gewalt in den Auseinandersetzungen.

Auch den Bauern, die in vielen Teilen Deutschlands sich gegen die Unterdrückung ihrer Landesherren zum Teil mit Gewalt auflehnen, hält er seinen Aufruf gegen Gewalt entgegen. Trotzdem arbeitet er mit aller Energie an einer Erneuerung der Kirche und führt viele Veränderungen ein, bei denen er mit einigen engen Freunden zusammenarbeitet.

1525 heiratet der ehemalige Mönch Martin Luther die ehemalige Nonne Katharina von Bora. Ein Priester heiratet, das war bis dahin undenkbar. Sie werden zu einer großen Familie mit sechs Kindern. Regelmäßig beherbergen sie Gäste und Studenten. Für Katharina eine große Aufgabe, die sie grandios meistert. Martin Luther treibt unterdessen die Übersetzung der gesamten Bibel in die deutsche Sprache voran, bis sie vollendet wird. Das moderne Schulwesen wird entwickelt und mit einem eigenen Katechismus wird die Glaubenslehre für alle nachvollziehbar.

Der Streit zwischen der bestehenden Kirche und den reformatorischen Kräften ist aber nicht zu lösen. Es kommt zur Trennung. Auf dem Reichstag zu Augsburg 1530 wird das von Luthers Freund und Weggefährten Philipp Melanchthon verfaßte Augsburger Bekenntnis als evangelisches Bekenntnis von Kaiser Karl V. verlesen.

Was Martin Luther angestoßen und mit vielen Mitstreitern fortgeführt hat, sollte nicht zu einer Abspaltung, zu einer neuen Kirche führen. Er wollte die Kirche von innen heraus verändern. Doch lagen die Meinungen oft zu weit auseinander und wurde zu heftig und manchmal auch über das Ziel hinausgehend miteinander gestritten.

Seit dieser Zeit haben die Christen beider Konfessionen sich vielfach wieder angenähert. Die drängenden Fragen unserer Zeit sind andere als zur Zeit vor 500 Jahren. Oft sitzen Christen beider Konfessionen diesbezüglich in einem Boot. Wer Trennendes betont, darf folgenden Satz aus dem 1. Johannesbrief nicht außer Acht lassen:

Und dies Gebot haben wir von ihm, daß, wer Gott liebt, daß der auch seinen Bruder liebt. (1. Johannes 4,21)

Die Reformation war wichtig, im Grunde für beide Kirchen. Einer ständigen Reformation bedürfen beide Kirchen, gerade in unserer Zeit, getrieben von dem Glauben und der Liebe Gottes, die uns frei macht. Amen.